Das nun fast vergangene Jahr war ein Jahr des Umbruchs. Für mich. Aber rückblickend auch für viele andere. Menschen, Gruppen, Staaten, Institutionen.

Viele Personen traten ab oder zurück, wechselten die Perspektive oder gingen für immer von uns. Unmöglich, alle zu nennen und keiner ist wichtiger als der andere. Dennoch erinnert sich die große Öffentlichkeit an einige ganz besonders.
So wird am Ende das Jahr 2015 auch die Medienlandschaft, insbesondere die TV-Landschaft gravierend verändert haben. Pro Sieben ohne Stefan Raab. Deutsches Fernsehen ohne Stefan Raab! Ausgezeichnet mit allem, was ein deutscher TV-Entertainer erreichen kann (inkl. Sieg beim ESC) und dennoch in den letzten Monaten unter auch immer deutlicher und lauter formulierter Kritik – nicht erst nach seiner Ankündigung abzutreten. In seiner letzten Sendung von TV Total wurde es dann sogar nochmal emotional und sehr persönlich – eine Fähigkeit, die ihm viele abseits von Wettbewerb und Ehrgeiz abgesprochen hatten.
Dass Günther Jauch seinen „Polit“-„Talk“ im Jahr 2015 (endlich) wieder eingestellt hat, bleibt (nicht nur) angesichts dieses Abgangs nur eine Randnotiz.
Der Perspektivwechsel eines anderen, auch mit dem Raab-Imperium verbundenen Moderators lässt vermutlich weite Teile der Öffentlichkeit recht kalt, aber mich mit (noch ein wenig mehr) Spannung auf die zu Jahresbeginn anstehende Oscar-Verleihung blicken. Steven Gätjen, der Mann von Pro Sieben am roten Teppich vor der Verleihung, wechselt zum ZDF. Als Moderator von Schlag den Raab und den zahlreichen TV-Total-Events hat er mich nie so überzeugt, wie sein Vorgänger, doch die Red Carpet-Sendung vor der Verleihung der Academy Awards wird eben nicht mehr sein, wie bisher.

Entertainer-Qualitäten bewiesen auch einige Sportfunktionäre. Unterhaltsam, wenn auch unfreiwillig komisch, waren die Geschehnisse um die Vergabe der Weltmeisterschafts-Turniere durch den Fußball-Weltverband FIFA. Auch an Deutschland. Aus dem Sommermärchen wurde ein Lügenmärchen, der national wie international hoch angesehene DFB-Präsident trat zurück, und aus der Lichtgestalt, dem Denkmal, dem Kaiser Franz Beckenbauer wurde, wieder einmal, ein Suppenkasper. Doch was im deutschen Verband passierte war nichts gegen die Wellen, die Bestechungs- und Schwarzgeldskandale und Korruptionsvorwürfe innerhalb der internationalen Verbände schlugen. Verhaftungen, gegenseitige Schuldzuweisungen, ein noch nicht einzuschätzender Vertrauensverlust der Fans gegenüber den Organisations-Organen des Fußballs und eine nicht enden wollende Liste an weiteren Skandalen, Enthüllungen und Konsequenzen. Am Ende des Jahres wird die kommende Europameisterschaftsendrunde in Abwesenheit der Präsidenten der FIFA und des Ausrichterverbandes UEFA ausgelost. Beide, Sepp Blatter und Michel Platini sind von der FIFA-Ethikkommission für acht Jahre gesperrt. Der FIFA-Präsident erklärt daraufhin, dass selbst wenn er ethische Verstöße begangen haben sollte, die von ihm selbst gegründete Kommission ihre Kompetenzen überschreite. Sie habe die Vorgänge innerhalb der FIFA zu überprüfen und Verstöße zu sanktionieren. Aber das gelte doch nicht für den Präsidenten. Immerhin, so viel steht schon länger fest, auf dem nächsten Kongress der FIFA Anfang 2016 wird ein neuer Präsident gewählt. Blatter kündigte schon Monate vorher seinen Rückzug an.

Einige Menschen traten 2015 ebenfalls ab, doch endgültig.
Eine, wenn nicht die Trainerlegende ist nach einigen gesundheitlichen Rückschlägen und dem darauffolgenden Abschied aus der Öffentlichkeit in diesem Jahr endgültig von uns gegangen. Über ihn muss man kaum Worte verlieren, da jeder Sport- und Fußballfan ihn ohnehin mit seinen ganz eigenen Augen sieht. Fest steht: Fußballerische Glanzzeiten von Borussia Mönchengladbach und Bayern München werden für immer mit dem Namen Udo Lattek († 31.01.2015 im Alter von 80 Jahren) verbunden sein.
Am gleichen Tag starb ein Mann, der auch für Nicht-Sportler immer eine deutsche Legende bleiben wird. Ein großer Staatsmann und durch seine Worte an die Deutschen aber auch die Welt wohl selbst irgendwie ein Befreier. Er war der Inbegriff eines Staatsoberhaupts und ist in Deutschland bis heute einer der beliebtesten Deutschen überhaupt: Bundespräsident a.D. Richard von Weizsäcker († 31.01.2015 im Alter von 94 Jahren).
Filmfans mussten stark sein in 2015. Wieder einmal starben Legenden und Vorbilder von Generationen. Ihre Namen und die ihrer berühmtesten Rollen und Filme bleiben lebendig. Leonard Nimoy, Mr. Spock (Star Trek) († 27.02.2015 im Alter von 84 Jahren).
Pierre Brice, Winnetou († 06.06.2015 im Alter von 86 Jahren).
Christopher Lee, Dracula, Saruman (Der Herr der Ringe), Count Dooku (Star Wars) († 07.06.2015 im Alter von 93 Jahren).
Omar Sharif, Doktor Schiwago († 10.07.2015 im Alter von 83 Jahren).
Sein vielleicht berühmtestes, aber vor allem erstes Werk kenne ich nur in der Filmversion. Auf „Die Blechtrommel“ folgten zahlreiche Werke, die in etliche Sprachen übersetzt wurden. Für mich bleibt Günther Grass († 13.04.2015 im Alter von 87 Jahren) besonders als der schnauzbärtige, Pfeife rauchende Brillenträger in Erinnerung, der am Abend des Festakts zur Verleihung des Literaturnobelpreises plötzlich zum überschwänglichen Tänzer wurde.
Eine der erfolgreichsten Kinderbuchautorinnen wird ihre lustigen Geschichten nun woanders weiter erzählen. Die Welt verdankt ihr die vielleicht berühmteste rothaarige Figur der Kinderliteratur neben Pippi Langstrumpf. Die Abenteuer von Pumuckl aus der Feder von Ellis Kaut († 24.09.2015 im Alter von 94 Jahren) kennt man sogar in China.
Von nachhaltiger Bedeutung für Medienschaffende & Schreibende (zu denen auch ich mich zähle), bleiben ihre Lebenswerke:
Verleger Alfred Neven DuMont († 30.05.2015 im Alter von 88 Jahren).
Übersetzer, Sprecher und Schauspieler Harry Rowohlt († 15.06.2015 im Alter von 70 Jahren).
Autor, Literatur- und Kulturkritiker Hellmuth Karasek († 29.09.2015 im Alter von 81 Jahren).
In meiner Jugend habe ich selbst Stücke von ihm gespielt und ein Gefühl für den so typischen und einzigartigen Happy-Sound bekommen, der seine Musik auszeichnete. Nicht wenige seiner Fans sind sicher, dass der Finger von James Last († 09.06.2015 im Alter von 86 Jahren) noch ewig weiter schnippt.
Bundesminister für besondere Aufgaben. Seine Amtsbezeichnung war auch gleichzeitig seine Berufsbeschreibung. Die Bundesrepublik verdankt ihre Position in der Welt, besonders im Osten, auch der Arbeit von Egon Bahr († 19.08.2015 im Alter von 93 Jahren), der später auch Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit war.
Seinen Platz in den Geschichtsbüchern sicherte er sich mehr oder weniger freiwillig, indem er die Grenzen zwischen BRD und DDR quasi im Alleingang öffnete. „Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort… unverzüglich…“ ist der vermutlich zweitberühmteste Halbsatz der deutschen Wiedervereinigungsgeschichte und der sicher berühmteste im Leben von Günter Schabowski († 01.11.2015 im Alter von 86 Jahren).
Wie viele weise, berühmte und bedeutende Sätze er in seinem Leben gesagt hat, lässt sich nicht zählen. Als Herausgeber der „ZEIT“ war er prägend für die Medienlandschaft, als Politiker und Bundeskanzler (auch nach seiner Amtszeit) für die gesamte Bundesrepublik und die ganze Welt. Er war Hanseat mit Stolz und Raucher aus Leidenschaft. Trotz oder womöglich auch wegen vieler Konflikte, die in seine Amtszeit fielen und durch seine Auftritte und Aussagen bis zu seinem Tod ist auch Helmut Schmidt († 10.11.2015 im Alter von 96 Jahren) einer der beliebtesten Deutschen überhaupt.

Auch zu herrschenden Krisen hatte und sagte Schmidt bis zuletzt immer seine Meinung.
In zahlreichen Konflikten, Kriegen und bei Anschlägen und Terrorakten rund um den Globus ließen und lassen unzählige Menschen 2015 ihr Leben. Auf Gewalt folgt Gegengewalt, auf Terror Vergeltung und Lösungen sind in fast allen diesen Fällen in weiter Ferne. Einen oder mehrere einzelne Fälle hervorzuheben wird nach meiner Meinung den Betroffenen von anderen Stellen nicht gerecht und bestärkt womöglich noch die Verursacher und Verantwortlichen der genannten Situationen. Es bleibt einzig und allein zu hoffen, dass der Gipfel der Gewalt in diesem Jahr endgültig erreicht ist und dieses schockierende Thema im nächsten Jahr nicht mehr so allgegenwärtig ist. Ganz egal, aus welchen Gründen und welcher Region. Es bleibt zu hoffen, dass Länder wie Frankreich, die für Lebensfreude, Liebe und wie kaum andere für Freiheit stehen, nicht in ihrem Streben nach Vergeltung in einen Strudel aus Hass und Fremdenfeindlichkeit geraten, der das Gegenteil der Werte bedeuten würde, aus denen ihre Nation in ihrer heutigen Form hervor gegangen ist.

Überall sind Menschen auf der Flucht vor jeglichen Formen von Gewalt. Nie zuvor waren es so viele wie 2015. „Flüchtling“ ist das Wort des Jahres. Meiner Meinung nach auch das Unwort des Jahres. Denn ersetzen wir „Flüchtlinge“ durch „Vertriebene“ wird schon ein ganz anderer Unterton deutlich – und ein viel gewichtigerer, historischer Kontext, gerade in Deutschland, hergestellt. Die Zahl der Menschen, die 2015 in der Bundesrepublik und auch der gesamten EU Zuflucht suchen, ist weitaus geringer als die Zahl der Vertriebenen unmittelbar vor, während und in Folge des zweiten Weltkrieges in Deutschland. Und eigentlich sind sich alle, Zuwanderungsgegner wie -befürworter und erst recht die Fliehenden selbst, doch einig: Niemand will, dass es Flüchtlinge gibt.
Und trotzdem kann die Flüchtlingskrise für Deutschland nur als Chance gesehen werden. Als Bewährungsprobe für die Bevölkerung, die Politik, die Wirtschaft und die Sozialsysteme. Das Time-Magazin erklärt Angela Merkel zur Person des Jahres. Für vieles wird unser Land in der Welt inzwischen wieder geachtet, zum Teil bewundert. Viele in Deutschland fragen sich, warum eigentlich? Diese Krise ist die Chance, es zu zeigen. Auch und vor allem uns Deutschen selbst. Wenn wir als Nation einen guten Weg finden, die negativen Ursachen für die Situation in eine positive Richtung zu drehen, kann das Jahr 2015 in nicht allzu ferner Zukunft als wesentlich für die Geschichte unseres Landes gelten. Unsere Gesellschaft befindet sich im Umbruch. Erst in einiger Zeit wird man sehen, in welche Richtung. Und jeder einzelne kann entscheidende Schritte in die richtige Richtung gehen.

Ein entscheidender Faktor dabei kann und wird es sein, den Humor nicht zu verlieren. Wenigstens in dieser Hinsicht hat es uns das Jahr 2015 wirklich leicht gemacht. So viel Realsatire war selten. Wenn die Lokführer streiken und die Kunden anhand der Verspätungen und Zugausfälle kaum einen Unterschied ausmachen können. Wenn „Ich habe keine Ahnung“ der häufigste (und womöglich auch ehrlichste) Satz auf der vielleicht wichtigsten Pressekonferenz in der Geschichte des größten Sportverbandes der Welt ist. Wenn deutsche Ingenieurskunst immer noch die ganze Welt beeindruckt verunreinigt – aber anders als bisher! Wenn die Bundeshauptstadt immer noch (k)einen Flughafen baut. Wenn der Mediendirektor des Fußballweltverbandes sagt:

„Der Sepp Blatter – der FIFA-Präsident -, sein Kommunikationschef und der Generalsekretär sitzen im Auto. Wer fährt? – Die Polizei!“

Nach 2015 ist vieles nicht mehr so, wie es mal war. Auch noch ganz spät im Jahr wird dies klar. Der letzte deutsche Lamettahersteller macht dicht. Also behält Opa Hoppenstedt doch am Ende recht: Früher war mehr Lametta.
Es ändert sich vieles und doch weiß ich, jetzt wo es fast vorbei ist, nicht so recht, wohin mit diesem Jahr. Erst die Zeit wird zeigen, wie 2015 einzuordnen ist. Viele Ereignisse haben das Potenzial als historisch bedeutsam eingestuft zu werden – oder nur ein Staubkorn in der Galaxie zu bleiben. Ach ja, Galaxie. Eins war da ja noch. Das Erwachen der Macht. Der wohl am meisten beachtete Film der letzten Jahre. Mit Recht? Nun, davon sollte sich wohl jeder selbst ein Urteil bilden. Auch wenn ich zukünftig mehr auch über die Medienlandschaft schreiben will – Filme eingeschlossen.

Überhaupt soll im neuen Jahr einiges anders sein in diesem Blog. Manches wird neu sein, Inhalte sollen öfter (was nicht so schwierig ist) aber auch anders aufgemacht erscheinen. Dann wird, spätestens wenn ich nach 2016 zurückblicke, 2015 auch für dieses Blog ein Jahr des Umbruchs gewesen sein.
In diesem Sinne – auf ein frohes, neues Jahr!

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