Die Aidshilfe NRW will heute im Rahmen der Hirschfeld-Tage in Köln „Szenegrößen, Szenekenner, Szenegestalter, Szenekritiker und Szeneferne beim Runden Tisch miteinander ins Gespräch bringen.“ Und hat mich dazu eingeladen. Aber warum eigentlich? Und was zieht man da an?
Ein von vielen verschiedenen Menschen aus verschiedenen Gründen immer wieder als Treffpunkt gewähltes, ja, was eigentlich? Café? Bar? Wohl irgendwas dazwischen war der Ort, an dem ich die Einladung bekam, an einer Veranstaltung der Aidshilfe NRW teilzunehmen. Man kennt das ja, man plaudert so über dies und das, das Leben, die Vergangenheit und Zukunft und auch ein bisschen über das, was man gerade so macht. Und weil das dann irgendwie ja auch thematisch passt, wird man so nebenbei zu einer Diskussionsrunde eingeladen. Ob es die Szene noch gibt und man sie noch braucht oder nicht. Ich freute mich damals und ich freue mich jetzt, kurz bevor es losgeht darauf. Weil ich irgendwie immer schon mal zu so einer Veranstaltung eingeladen werden wollte, dann aber doch das Gefühl hatte, eigentlich ja gar nicht so recht dahin zu gehören.
„Die Szene ist tot, es lebe die Szene!“
Um das Motto der Runde zu erklären, muss wohl etwas weiter ausgeholt werden. Was soll das sein – Szene? So richtig erklärt hat mir das ja eigentlich noch nie jemand. Gemeint ist wohl das Milieu, in dem sich Schwule und Lesben überwiegend aufhalten. Kneipen und Bars, Clubs, Theater, kulturelle und gesellschaftliche Treffpunkte eben. Aber das kann ja nicht alles sein. Schließlich meint die Rockerszene ja auch überwiegend Menschen und nicht einfach nur Orte, an denen sich diese aufhalten. Was also ist die Szene, über die wir heute diskutieren werden? Auch die Aidshilfe NRW versteht sich als Teil dieser Szene. Warum eigentlich? Was hat Aidshilfe mit Homosexualität zu tun? Von der Ansicht, dass es da einen direkten Zusammenhang gibt geben muss, dürften wir hoffentlich weit entfernt sein. Auch auf diese Frage werde ich womöglich heute Antworten finden.
Damit wir uns richtig verstehen: Auch wenn das sehr kritisch klingen mag, so sind das doch eher Fragen, die ich mir selbst stelle. Für mich sind diese Kneipen und Bars, Clubs, Theater, Institutionen und die Menschen, die man dort trifft, durchaus Teil der und die Szene. Dennoch fiel mir schon beim Kaffee in der Kölner Südstadt auf, dass diesen Begriff eigentlich noch nie jemand mir gegenüber definiert hat. Noch intensiver wird dieser Gedanken als ich schließlich, Wochen später, das Einladungsschreiben erhalte, mir die Formulierungen und Pläne zur Veranstaltung genau durchlese und mir intensiver noch Gedanken mache über Für und Wider von „Szene“, über die Zusammenhänge ihrer einzelnen Bestandteile und die wirkliche, genaue Definition dieses Begriffs.
Ist „Szene“ vielleicht nur in unserem Kopf, mehr ein Gefühl als physisch greifbar, real, existent? Und schließt das eine das andere wirklich aus? Immer wieder fällt in diesem Zusammenhang auch der Begriff „schwule Community. Ist das nun etwas anderes als die Szene? Und wenn ja, was? Und – um der Ausgangsfrage und dem Diskussionsmotto wieder näher zu kommen – braucht man vielleicht das eine, aber nicht das andere?
So sehr banal ich das lockere Gespräch bei Kaffee und Keks zunächst fand, so sehr vielschichtig und komplex erscheint mir das Thema bei genauerem Nachdenken. Mir, als jemandem, der Szene, Community, schwules Gesellschaftsleben aus verschiedenen Blickwinkeln erlebt hat. Ich habe das Gefühl ganz genau zu wissen, was ich darunter verstehe, ohne es mit Worten erklären zu können. Macht mich vielleicht genau das zu einem passenden Gast an diesem Runden Tisch? Die Veranstalter jedenfalls sind sich sicher, dass ich „einen wichtigen Beitrag zu dieser Diskussion liefern“ kann.
Vor genau drei Tagen erreicht mich das offizielle Anschreiben mit der Uhrzeit, dem Ort und einer Agenda. Dass ich diese Informationen nicht vorher per Mail oder auf Nachfrage bei meinem eingangs erwähnten Gesprächspartner bekommen habe, sei nicht geheimniskrämerisch, sondern einem Kommunikationsfehler geschuldet. Kann ja passieren. Nur leider verstärkt das meinen Eindruck, nicht so recht informiert zu sein über das, was mich erwartet und zur Teilnahme qualifiziert. Die Krönung dann heute früh, vor dem Kleiderschrank: Was zieht man denn da an? Nach einigem An- und wieder Ausziehen sowie Ausprobieren verschiedener Kombinationen mache ichs mir einfach. Ich ziehe an, wonach mir ist. So bin ich eben. Schließlich bin ich ja so auch eingeladen. Als ich. Weil mich das irgendwie dafür qualifiziert.
In der Agenda kündigt die Aidshilfe als Gäste und „Inputgeber“ Martin Reichert von der TAZ und den Journalist und Autor Dirk Ludigs an. Beide wollen ihre sehr unterschiedliche Meinung zum Thema darlegen. Vielleicht kann ich ja schon danach, in der anschließenden Diskussionsrunde auch so etwas machen. Meine Meinung vertreten. So richtig sicher bin ich gar nicht, dass ich vor dieser Diskussion überhaupt schon eine Meinung zum Thema habe. Und wieder taucht sie auf, die Frage, was mich als Gast dieser Veranstaltung qualifiziert. Sicher, ich habe ein Gefühl, dass ich mit diesen Begriffen, Szene und Community, verbinde. Und ja, das Thema beschäftigt mich, jetzt, wo ich immer mehr merke, dass für mich banale Gedanken und Worte zu ganzen Diskussionsthemen taugen. Und dass ich, eigentlich, wirklich gerne dorthin gehen und darüber schreiben möchte. Womöglich reicht das allein ja schon aus.
Natürlich passiert es in deinem Kopf (…). Aber warum um alles in der Welt sollte das bedeuten, dass es nicht wirklich ist.
Joanne K. Rowling
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