Heute dreht sich alles um die Eier. Aber ein Zitat von Oliver Kahn als Aufmacher für einen Blogbeitrag? Geht’s noch? Die Frage ist absolut berechtigt, auch was das Thema dieses Beitrags angeht. Und die gewählte Aussage des ehemaligen Fußballers ist, obwohl natürlich vollkommen aus dem Kontext gerissen, in gleich mehrfacher Hinsicht treffend.
Die, die von den Hühnern kommen. Ja, die, die man braucht, um Pfannkuchen, Omeletts, panierte Schnitzel und auch sonst fast alles zu machen, was lecker ist. Die, die man im Supermarkt kaufen kann. Und die, die man braucht, um genau das eben nicht immer zu tun.
Aber warum genau schreibe ich jetzt über Eier? Ganz egal, welche jetzt genau. Das kam so: Vor einigen Tagen spülte mir die Zeitleiste eines Social Networks meines Vertrauens ein Bild von Eierkartons vor die Nase. Die darin befindlichen Eier wurden für 0,49 € angeboten. Manche mögen angesichts solcher Angebotspreise begeistert frohlocken und sich vor dem geistigen Auge schon die ganze Woche wundervolle Eierspeisen essen sehen. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass es immer auch eine andere Seite von angebotenen Waren gibt.
Was es bedeutet, wenn 10 Eier 0,49 € kosten, rechnete der Urheber des Bildes, Sascha Pallenberg, dann auch gleich mal vor: 4,9 Cent pro Ei.
Und da wundert man sich, dass Landwirte unter dem Wettbewerb zerbrechen. 1 Ei fuer 4.9 Cent. Was ist das bitte fuer ein Wahnsinn? Tut mir den Gefallen und gebt euch nicht solchen Preisen hin! pic.twitter.com/CxwRLOkBf5
— Sascha (潘賞世) Pallenberg (@sascha_p) January 6, 2018
Die 4,9 Cent pro Ei bekommt der Supermarkt, wohlgemerkt. Davon bekommt dann der Lieferant der Eier nur noch einen Bruchteil, sagen wir, 4,5 Cent, nur so zum Spaß. Und der Landwirt, der den Lieferanten mit Eiern versorgt, (nennen wir ihn Bauer Olli, nur so zum Spaß) bekommt für jedes Ei dann noch 3,9 Cent. Wenn sowohl der Supermarkt als auch der Lieferant die Ausgeburt an Großzügigkeit sind. Aber tun wir einfach mal so. Bauer Olli bekommt also pro Ei 3,9 Cent. Angenommen, jedes seiner Hühner legt ausnahmslos jeden Tag ein Ei. Dann hat Olli also jeden Tag 3,9 Cent Gewinn pro Huhn.
Olli ist – zu seinem Glück – ein sehr Hühner-unfreundlicher Bauer und hält seine Hühner in einer Halle auf dem Boden, damit er sehr viele halten kann, sagen wir 1.000. (Wem tun die Hühner jetzt schon leid?) Wenn Olli die ganzen 3,9 Cent, die er für ein Ei bekommt, komplett für sich selbst zur Verfügung hätte wären das 39 Euro am Tag, umgerechnet also 1170 Euro im Monat. Und alle seine Betriebskosten für den Bauernhof sind da noch gar nicht mit gerechnet. Von seinen sonstigen Lebenshaltungskosten ganz zu schweigen. Und wem jetzt auffällt, dass Olli ja seine Hühner noch gar nicht gefüttert hat, der hat vielleicht das Problem an Eiern für 4,9 Cent pro Stück verstanden.
Und das ist das Beispiel für Eier aus Bodenhaltung.
Also sollten wir wohl besser Bio-Eier kaufen, richtig? Falsch! Denn leider machen uns Industrie, Supermärkte oder die Eier-Lobby(?) da natürlich auch ganz schön was vor. Jeder, der seinen Blick einmal über die Supermarktregale der Republik schweifen lässt, wird feststellen, auf wie vielen verschiedenen Lebensmitteln Bio-, Öko-, Naturschutz-, Aluhut- und Was-weiß-ich-nicht-alles-für-Siegel prangen. Und wer weiß denn schon so genau, wofür welches Siegel da eigentlich steht? Auch die EU mischt in Sachen Tier-/ Umwelt- und Verbraucherschutz natürlich fleißig mit. Auch bei den Eiern. Vor geraumer Zeit kam exakt dieses Thema in einer Diskussion innerhalb meiner Familie auf. Und was mir da zu Ohren kam, fand ich ebenso unglaublich wie – leider – wenig überraschend.
Ausschlaggebend für die Vergabe bestimmter Bio-Siegel für die Hühner-Haltung ist nämlich nicht etwa, ob die Hühner alle fröhlich 15 Stunden am Tag draußen über die grüne Wiese, die so groß ist, dass sie sie in ihrem Leben nie etwas anderes sehen werden, als grüne Wiese. Nein. Wichtig ist, dass sie es könnten. Wenn nun aber Bauer Olli, um das begehrte Bio-Siegel zu erhalten, eine Hühnerklappe und eine Treppe von seiner Halle zur großen, grünen Wiese nebenan errichtet, in die der Wind leider so ungünstig pfeift, dass es jedes Huhn im Umkreis von 3m mit der Angst zu tun bekommt, kann man ihm das ja wohl kaum zur Last legen. Wenn die Hühner nicht raus wollen, soll man sie schließlich nicht zwingen. Bio-Eier sind schließlich von glücklichen Hühnern, die ihre eigenen Entscheidungen treffen können. So bekommt Olli sein Bio-Siegel und muss dafür nicht einmal auf der grünen Wiese auf Eiersuche gehen. Außer vielleicht an Ostern.
Für alle, denen das noch nicht paradox genug ist, habe ich noch ein weiteres Beispiel. In meinem Heimatort befand sich ein Bauernhof, den ich schon seit meiner frühen Kindheit kannte. Den Bauern, seine Frau, seine Kinder – und seine Tiere. Auf einem großen, ausgebauten Dachboden, der großzügig mit Stroh ausgelegt war, viele dunkle Ecken und riesige Fenster sowie ein aufwendiges Belüftungssystem hatte, hielt er einige Hühner, um an einige Leute im Ort Eier zu verkaufen. Jeden Tag ließ er die Hühner außerdem einige Zeit frei auf dem Hof herumlaufen. Natürlich war vollkommen ausgeschlossen, dass er für diese Eier ein Bio-Siegel erhält – schließlich hatten die Hühner keine Möglichkeit, zu jeder Zeit und aus freien Stücken nach draußen zu gelangen. Im Supermarkt hätte er seine Eier nur mit der Beschreibung „Bodenhaltung“ verkaufen können. Genau so, wie die, die von den tausenden zusammengepferchten Hühnern aus der riesigen Halle in einigen Kilometern Entfernung kamen. Und natürlich auch zum selben Preis. Und sogar zu einem niedrigeren als die, die Bauer Olli mit seinem Bio-Siegel versehen konnte.
Wenn man sich diese Beispiele ansieht, kann man eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass man seine Eier nur noch beim Bauern um die Ecke kaufen kann. Im Idealfall, nachdem man dem Huhn beim Legen zugesehen hat. Natürlich muss man dann bereit sein, mehr dafür zu bezahlen, als 4,9 Cent. Vermutlich sogar das zehnfache. Dass nicht jeder genug Geld hat, um zu diesen Preisen seinen Eier-Bedarf zu decken, versteht sich von selbst. Aber die Eier, bei allzu niedrigen Preisen eben doch heute mal auf das Omelett zu verzichten, sollten wir alle haben…
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