Als ich mir heute fürs kleine Mittagessen auf die Schnelle eine Dose Ravioli aus dem Schrank nehmen und in der Mikrowelle aufwärmen wollte, kam mir bei der Aufschrift „Bolognese“ so ein Gedanke…

„Ob wohl in diesem Hackfleisch auch Anteile von Pferdefleisch gewesen wären?“ Wie das nunmal so ist, man denkt den Gedanken weiter und gelangt irgendwann an die Stelle, an der man mit seinem Wissen am Ende ist. Bei mir war das der Punkt, an dem ich mich fragte, wie das eigentlich damals zuende gegangen ist. Ihr wisst doch sicher noch, dieser Skandal, bei dem so viele Menschen in Deutschland sich plötzlich gesünder ernährten*, aber darüber entrüstet waren, weil sie ja schon gerne gefragt worden wären. In allen möglichen Fertigprodukten, insbesondere Lasagne, hatte man Spuren von Pferdefleisch gefunden, das auf der Verpackung als Rind deklariert wurde.

Nun gut, größer als der Skandal war eigentlich nur der Spaß, den Medien aber auch private User auf Facebook, Twitter und allen möglichen Plattformen hatten. Von der Teilnahme einer Lasagne am Trabrennen bis hin zu Spuren von Holz, die man in einer Lasagne gefunden hatte, was wohl auf Schaukelpferde schließen ließ, war alles dabei.
Aber nun einmal Spaß beiseite. Was ist denn eigentlich passiert seitdem? Die Medien, die breite Öffentlichkeit und demnach auch die Politiker fielen in einer Welle der Entrüstung über die Lebensmittelindustrie her. Die Vorschläge reichten von strengeren Kontrollen an den Grenzen**, über solche vor der Ausfuhr der Nahrungsmittel über häufigere Stichproben in den Läden bis hin zu höhren und heftigeren Sanktionen bei Verstößen gegen die bestehenden Auflagen. Was davon ist denn nun eigentlich passiert? Zwar wurde die Aufdeckung des Skandals in aller Öffentlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes ausgeschlachtet, eine endgültige, noch dazu überzeugende, Lösung wurde aber nicht in dieser Form präsentiert.

Meine Frage an Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (aus dem Vorstand der soeben in Bayern mit der absoluten Mehrheit ausgestatteten CSU) ist deshalb:

Essen wir jetzt alle weiter Pferdefleisch?

Mir ist bewusst, dass in den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung das alles schon längst Schnee von gestern ist. Aber ebenso ist mir bewusst, dass es ein zentrales, die Menschen in Deutschland beschäftigendes Thema in der Legislaturperiode der gegenwärtigen schwarz-gelben Regierungskoalition war. Diese möchte ja nun wiedergewählt werden und die nach eigenen Angaben „erfolgreiche Arbeit“ der letzten Jahre fortsetzen. Wie erfolgreich waren Sie denn auf diesem Gebiet, verehrte Minister? Konnten sich Frau Aigner und die Herren de Maizière und Westerwelle auf eine parteiübergreifende, gemeinsame Lösung verständigen, die den Menschen in unserem Land auch etwas bringt? Etwa, dass wir zwar weiterhin gesundes Pferdefleisch in Fertigprodukten essen müssen dürfen, es aber nun auch wenigstens auf der  Verpackung nachlesen dürfen müssen. Oder, dass wir Studenten und Ottonormalverbraucher, die wir nicht jeden Tag zum Metzger unseres Vertrauens gehen können, um mit dem dort erworbenen Hackfleisch unsere Lasagne selbst zusammen zu stellen, nun sicher sein können, dass wenn Schweine- Hähnchen- oder Rindfleisch draufsteht auch selbiges drin ist. Dass strengere Grenzkontrollen keine Lösung sind, dürfte klar sein. Bilder von zahlreichen an den Grenzen aufgehaltenen Lastkraftwagen mit Pferdefleisch an Bord, das deren Fahrer ins Land zu schmuggeln versuchten habe ich jedenfalls keine gesehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die CSU mit ihrem Chef Horst Seehofer und die gesamte Bundesregierung versucht nicht nur in diesem, sondern auch vielen anderen Themen ihre Untertanen die Bevölkerung glauben zu machen, dass Probleme, die totgeschwiegen werden, auch nicht existieren oder zumindest keiner Überarbeitung, Besprechung, geschweige denn Lösung bedürfen.
Mache ich mir diesen Grundsatz zu eigen, werde ich das Gefühl nicht los, in meinen Ravioli könnten durchaus immer noch ein paar erfolgreiche Rennpferde vergangener Tage zu finden sein.

Ganz automatisch kommt da bei mir die Frage auf, ob eine neue, anders aufgeteilte Regierung hier andere Maßnahmen ergriffen hätte – oder es gar tun wird. Denn Probleme, die eine breite Öffentlichkeit nicht sieht sind, anders als mir vorzumachen versucht wird, natürlich trotzdem vorhanden. In meinen Augen ist es nicht nur Aufgabe einer Regierung, die Sorgen und Nöte und Situationen zu lösen und zu behandeln, die die Menschen vorrangig, kurzfristig und öffentlich interessiert. Sondern eben auch solche, die aufgedeckt und bislang nicht ausreichend gelöst wurden. Wie sehr wird sich also beispielsweise eine große Koalition mit dieser Thematik befassen, wenn das Verbraucherschutzministerium mit dem gleichen Personal besetzt bleibt, wie vor der Wahl? Wie wichtig ist der stärksten Partei in einer SPD-geführten Regierung der Verbraucherschutz was Lebensmittel angeht? Welche Rolle spielen die Grünen dabei? Denn bei der Idee, einen Tag in der Woche in öffentlichen Kantinen vegetarisch zu essen, kann es wohl nicht bleiben. Zumal dies ja lediglich eine Idee, eine Empfehlung darstellen, nicht aber gesetzliche Vorgabe oder Handhabe werden soll. Man darf gespannt sein, ob es den Verantwortlichen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gelingen wird, in den letzten Tagen vor der Wahl eine Antwort auf diese konkrete, und damit verbundene, viel allgemeinere Frage, zu finden:

Wie wichtig ist der Bundesregierung der Verbraucherschutz?
Oder essen wir jetzt einfach alle weiter Pferdefleisch?

Die Ravioli habe ich jetzt jedenfalls erstmal zurück in den Schrank gestellt. Bis nach der Wahl. Solange esse ich lieber Bratwurst. Da weiß ich wenigstens, dass ich nicht weiß und wissen will, was da genau drin ist!

* Im Vergleich zu Rindfleisch gilt im Allgemeinen Pferdefleisch als gesünder und demnach kostbarer und -spieliger.
** Nachforschungen zu Folge wurden Pferde in deutschen Nachbarländern geschlachtet und das Fleisch daraufhin für Verarbeitung und Verkauf über die Grenze nach Deutschland transportiert.

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