12,6% in Rheinland-Pfalz, 15,1% in Baden Württemberg und sogar 24,2% und damit zweite Kraft in Sachsen Anhalt. So viel holte die AfD bei den Landtagswahlen.*
Für einige noch zu wenig, für andere deutlich zu viel. So auch für den Hamburger Gerrit Hericks. Der Sänger und Musicaldarsteller hat sich die Mühe gemacht, das Wahlprogramm der AfD, auch in den einzelnen Landesverbänden, zu lesen und darin Dinge gefunden, die ihn nicht überrascht, aber dennoch so sehr entsetzt haben, dass er gleich am Tag nach den Wahlen eine Web-Aktion gestartet hat.
#KuenstlerGegenRechts soll Künstler aus allen Bereichen dazu aufrufen, sich gegen Rechtspopulismus und -Extremismus zu positionieren.
Sein Bild, auf dem er sich gegen einen Auszug aus dem Programm der AfD Sachsen-Anhalt positioniert, soll exemplarisch auch für andere Künstler und andere Themen und Thesen aus den Wahlprogrammen sein.
Für jedes Mal, das ein solches Bild geteilt wird, sollen 20 Cent an einen guten Zweck gespendet werden. Etwa an Flüchtlingsunterkünfte, freie, nicht staatliche Theater zur Förderung freischaffender Kunst, oder auch queere Projekte oder Genderforschung. Eben all die Dinge, die den Ideen der AfD entgegen stehen. Dabei soll bewusst nicht vorgegeben werden, wer von den Spenden profitiert, damit womöglich an sehr vielen Orten durch kleine und größere Summen geholfen werden kann und die Aktion auch dadurch an Aufmerksamkeit gewinnt. Hericks hofft darauf, dass weitere seinem Beispiel folgen:
Ich empfand es einfach nach dieser Wahl als einen notwendigen Schritt den ich gehen musste. Ich finde, dass Künstler / bzw. Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und ein Publikum erreichen können, die Pflicht haben sich zu positionieren, gerade damit Parteien wie die AfD erfahren, dass sie nicht die schweigende Mehrheit sind, oder gar eine „Volkspartei“.
Und schon am ersten Tag der Aktion folgten ihm ganz unterschiedliche Künstler aus ganz unterschiedlichen künstlerischen Bereichen. Maler, Musiker, Artisten, Comedians. Ein paar Beispiele habe ich hier zusammengetragen, weitere findet man in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #KuenstlerGegenRechts.
Ob die Aktion großes Interesse wecken kann, sich in ganz Deutschland, vielleicht sogar darüber hinaus ausbreitet? Schwierig zu sagen. Das Potential ist jedenfalls sicher da, wenn wirklich so viele Kunstschaffende gegen die Positionen der AfD sind, wie der Sänger vermutet:
Ich erhoffe mir davon, dass wir als Gemeinschaft (also Künstler) uns geschlossen gegen die AfD stellen können. […] Es braucht gerade bei der aktuellen Entwicklung viel mehr Menschen, die Stellung beziehen.
An sich selbst und den persönlichen Erfolg denkt er dabei nicht. Bei wirklich großen, erfolgreichen Netzaktionen, die sich im Schneeballsystem verbreiten, erinnert sich irgendwann kaum noch jemand daran, wer sie initiiert hat. Und das ist Hericks bewusst. Aber er stellt klar, dass nicht er persönlich im Vordergrund stehe, sondern der Gedanke, der damit verbreitet werden soll. Und sollte es tatsächlich ein Selbstläufer werden, sei das der Hauptgrund zur Freude.
Umgekehrt könnte sich so eine Aktion auch nachteilig für einzelne auswirken. Denn klar, bei einer so großen Zustimmung bei Landtagswahlen ist nicht auszuschließen, dass auch Künstler in Berührung mit Sympathisanten und Unterstützern der AfD kommen. Ein Intendant, der die Ideale und Ziele der Rechtspopulisten teilt, dürfte kaum auf die Idee kommen, ihn zu engagieren. Und auch sonst sind die Anhänger nicht gerade für ihre Friedfertigkeit bekannt. Doch das sieht Hericks gelassen, sagt augenzwinkernd:
Wenn sich die AfD meldet dann werde ich antworten. […] Ich habe mir das Wahlprogramm der AfD durchgelesen und bin gerne bereit dieses durchzudiskutieren. Gegen einen politischen Diskurs ist ja erstmal nichts zu sagen.
Und sollte es wirklich zu weniger sachlichen Auseinandersetzungen kommen, ist ihm die Aufmerksamkeit für seine Aktion ohnehin sicher.
Es bleibt ein überschaubares Risiko für die Teilnehmer dieser Aktion, aber ist zugleich eine große Chance, sich zu positionieren und klar Farbe zu bekennen. Denn so viel steht fest: Die Rechtsextremisten und deren Vorredner tun dies in Deutschland längst wieder mehr und in größerer Zahl, als man lange für möglich gehalten hätte. Auch, weil eben nicht sie, sondern die bürgerliche Mitte in den letzten Jahren viel zu selten Gelegenheiten genutzt hat, auf sich aufmerksam zu machen. Damit sind gar nicht die Politiker und Volksvertreter gemeint, sondern die Bevölkerung selbst. Wenn Bewegungen wie Pegida lautstark und eindringlich auf ihre Bedürfnisse aufmerksam machen können und dürfen, dann sicher auch alle, die eine andere Meinung haben. Sie müssen es nur tun. Dazu will der Hamburger Künstler nun aufrufen. Innerhalb weniger Stunden wurde allein sein Bild nur auf Facebook über 500 Mal geteilt. Über 200 Euro an Spendengeldern sind so durch ein einziges Bild zusammen gekommen. Die anderen bisher geteilten Bilder und alle, die womöglich folgen werden, noch gar nicht mitgerechnet.
Auch ich kann nicht anders, als diese Aktion zu unterstützen. Ich wende mich dabei, so wie ich das meine, nicht gegen eine Partei an sich, sondern gegen Ideale und Vorstellungen von einem Land, die meinen Vorstellungen und auch Erfahrungen von Deutschland konträr gegenüber stehen. Ich will niemanden davon abhalten, zu wählen, was immer er für richtig und zukunftsweisend für sein Land hält. Aber eine solche Aktion kann das Bewusstsein genau dafür vielleicht etwas mehr schärfen, als es Parteien und Politiker (bisher) vermochten. Denn ich habe Spaß daran, hier regelmäßig meine Erfahrungen, Meinungen und Ideen aufzuschreiben. Zu den Themen, in der Vielfalt und mit den Ergebnissen, die ich vertreten kann und möchte. In einem Deutschland nach den Vorstellungen der AfD wäre dies so nicht mehr möglich.
*Quelle: tagesschau.de [Abruf: 15.03.2016, 10:40 Uhr]