Auf den Spuren von Deutschlands vielleicht berühmtester Talsperre, unfassbare Mengen an Flaschen, zahlreiche Rohre, riesige Töpfe und Pfannen und natürlich Bier im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Erbrechen: zu Besuch bei Deutschlands Marktführer in Sachen Bier.
Mitten in Krombach in Kreuztal im Siegerland, umgeben von hügeligen Waldgebieten liegt das riesige Fabrikgelände, dessen Gebäude alle in Grüntönen gehalten sind. Um Naturverbundenheit zu zeigen. Manche sogar mit* künstlerisch wertvoll stilisierten Bierflaschen darauf. Diese und große Werbeschilder sind das einzige, das auf den ersten Blick eine Brauerei vermuten lässt. Denn mit der romantischen Vorstellung von dunklen Kellern, in denen womöglich sogar Mönche mit Holzwerkzeugen in Holzbottichen verschiedene Zutaten zu Bier verarbeiten, hat das Bierbrauen von heute nichts mehr zu tun. Schon gar nicht in einem Großbetrieb wie diesem. Die hiesige Privatbrauerei stellt Deutschlands meistverkauftes Flaschenbier her und hat neben der Getränkeindustrie mittlerweile eine ganz Touristikabteilung mit Merchandise-Artikeln, Mitgliedschaften im Freunde-Club und eben Europas größter Brauhaus-Führung.
„Hier sind wir zu Hause“
Der Rundgang beginnt in der Braustube, die von außen auch optisch diesem Namen gerecht wird. Doch sobald man die großen, weißen Flügeltüren hinter sich lässt taucht man ein in die aufwändig gestaltete, moderne „Erlebniswelt“.
Ein Zeitstrahl beschreibt mit vielen Bildern und wenigen Worten die Entwicklung der Brauerei, hinter runden Glasvitrinen sieht man Modelle des Firmengeländes, vereinfachte Darstellungen der zur Wassergewinnung genutzten Brunnen und verschiedene weitere Exponate, wie in einem Museum. Ein großer Monitor zeigt die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft in denen die Marke vertreten ist und Einfluss hat und bewirbt auch die verschiedenen anderen Getränke neben Bier, die im Sortiment sind. Zwei kleinere Monitore daneben hilft mit schriftlichen Erläuterungen, die Bilder noch besser zu verstehen. An den Wänden des überwiegend runden Raumes sieht man überall Menschen in Anzügen mit Biergläsern, neben denen Weisheiten über das Brauen im Allgemeinen und die eigene Marke im Besonderen geschrieben stehen.
Rechts vom Eingang, hinter dem Zeitstrahl befindet sich ein Kino, schon beim Eintreten prangt auf der großen weißen Wand riesengroß das so bekannte Bild der so bekannten Talsperre.
Ein Mann im Anzug begrüßt die Gruppe, verteilt Kopfhörer und Empfänger und erklärt, was die Teilnehmer der vormittäglichen Führung erwartet: Ein 15-minütiger Film, anschließend 90 Minuten Rundgang durch den Betrieb und danach natürlich jede Menge „Getränke und andere Speisen“.
Der folgende Film zeigt den gut funktionierenden Marketingapparat des Betriebes. Mit Bildern, die durchaus für Bier im allgemeinen und diese eine Marke zu begeistern wissen. Ein virtueller Rundgang durch heimische Wälder, die Hopfen- und Gerstenfelder und die Produktionsstätten wird mit Bildern gezeigt, die, auch dank der musikalischen Hinterlegung, teilweise wie Kino-Blockbuster aus der Feder von Tolkien anmuten. Gänsehaut kommt auf, als die aus der TV-Werbung bekannte Gitarrenmelodie erklingt, die Kamera hochfährt über die Wipfel des Baumes und den Blick frei gibt auf ein großes Gewässer. „Aber, das ist ja…“ entfährt es dem Protagonisten des Films. „Ja“, sagt der Sprecher. „Das ist der See.“
„Mit Felsquellwasser gebraut“
Das Wasser spielt ohnehin eine sehr große Rolle in diesem Betrieb. Klar, ohne Wasser lässt sich kein Bier brauen, aber der bekannte Spruch aus der Werbung kommt nicht von ungefähr. „Felsquellwasser“ ist ein geschützter Begriff, nur für dieses Bier wird es verwendet. Nach eigenen Angaben ist es nur durch die Filterung der Felsen besonders „mineralarm und geschmacksneutral“. Aus 48 Brunnen in der Region wird es gewonnen.
Diese ist nur eine von sehr vielen Zahlen, die den Besuchern in den folgenden 90 Minuten die Prozesse im laufenden Betrieb näherbringen sollen. Und durch diesen führt der Rundgang. Anders als in der Erlebniswelt in der Braustube hat dies nur noch selten etwas mit einem Museum zu tun. Aber auch nur wenig mit der Natürlichkeit und Atmosphäre, die im Film wirken. Brauen ist vor allem ein technischer Prozess, fast alle Arbeitsschritte werden von Maschinen ausgeführt. Da braucht es schon einiges an Vorstellungskraft, um zu begreifen, dass in diesen Metallrohren und -kesseln ebenjenes Felsquellwasser fließt, das mit Hopfen, Malz und Hefe versetzt wird, dass im Inneren dieser ganzen Maschinen eben ein zwar

beschleunigter aber doch natürlicher Prozess stattfindet. Dabei helfen verschiedene Stationen auf dem Weg, an denen mit Bildern, aufwendig und liebevoll gestalteten Räumen, die geradezu Oasen sind auf einer Reise von einem Maschinenraum in den anderen, und manchmal auch einfach dem Geruch der entsteht, daran erinnert wird, dass hier ein Naturprodukt, ein Lebensmittel entsteht.
Braukunst früher und heute
Rührten früher die Braumeister die Zutaten noch von Hand in Holzkesseln zusammen, sitzen sie heute in Kontrollräumen und überblicken große Mengen an Schaltern und Knöpfen um die Produktionsabläufe zu steuern und die Flüssigkeiten verschiedener Phasen der Bierentstehung zu verändern und zu lenken.
Jeder Tropfen des Bieres, das Millionen Deutsche jedes Jahr trinken, fließt durch viele hundert Meter Metallrohre unter den Füßen der Arbeiter und Besucher und unter den Reifen der bis zu 600 Lkws täglich, die hier ankommen. Die Hauptverkehrsstraße des Ortes trennt die beiden Betriebsteile. Nach den Produktionsstätten im oberen führt der Weg über die Straße und einen Parkplatz, eine Treppe hinunter und schließlich über eine Brücke in den unteren Ortsteil von Kreuztal. Hier kommen neben den Zutaten auch die anderen Bestandteile ins Spiel, die man von Bier kennt. Kästen, Fässer und, natürlich, Flaschen. Und wieder gibt es eine Menge Zahlen zu verdauen. Beispielsweise werden 110.000.000.000 Kronkorken hier jedes Jahr verarbeitet. Den unvorstellbaren Zahlen verleihen die Bilder in der Abfüll- und Logistikhalle Ausdruck.
In atemberaubender Geschwindigkeit rasen Flaschen über Bänder, werden auf Fehler kontrolliert, befüllt, verschlossen und etikettiert. Alles von Maschinen, ähnlich wie schon in den Produktionsstätten. Die fertigen Bierflaschen werden in Kästen verstaut und auf Paletten gestapelt von Gabelstaplern für den Transport in die Kühlschränke der Republik reisefertig bereitgestellt. Bevor dies alles geschieht, sortieren in den Logistikhallen Mitarbeiter in verschiedenen Teams das Leergut. Eine wohl undankbare, aber wichtige Aufgabe und die erste für die Besucher erkennbare Handarbeit auf der gesamten Reise des Bieres durch den Betrieb bis zur Auslieferung des Produktes. Schließlich soll das hauseigene Bier auch nur in den hauseigenen Flaschen auf den Markt gebracht werden. Fremde Flaschen werden also aussortiert und an die zugehörigen Betriebe geliefert, die eigenen auf die oben beschriebene Reise geschickt, wo sie zuerst gereinigt und dann wieder befüllt werden.
„Getränke und andere Speisen“
Welche Unterschiede es beispielsweise zwischen dem Original Pils und der dunklen, alkoholfreien und Weizen-Variante der Hausmarke gibt, erleben die Besucher während der Führung auf unterschiedliche Art, es gibt andere Zutaten, andere Techniken und verschiedene Stadien der Herstellung in denen die Produkte entnommen und weiterverarbeitet werden. Aber natürlich gibt es keine Brauereiführung ohne auch das reale, optische und geschmackliche Ergebnis zu präsentieren. Und so finden sich alle zum Ende wieder in der Braustube ein, diesmal in der oberen Etage, die gemütlich-rustikal eingerichtet ist, mit einer großen Rundtheke, an der frisches Pils in verschiedenen Varianten gezapft wird. Die gesamte Produktpalette steht zur Auswahl und der Menge der Bestellungen sind keine Grenzen gesetzt. Sicherheitshalber und womöglich aus Erfahrung sind die Sanitärräume dann auch nicht nur mit Toiletten ausgestattet, sondern bieten auch andere Möglichkeiten, die zugeführten Flüssigkeiten wieder loszuwerden.
Damit dies nicht allzu schnell und allzu häufig geschieht, gibt es natürlich zu den zahlreichen Getränken auch die eingangs erwähnten Speisen. Westfälischer Schinken, gute Butter, saure Gurken – so stellt man sich eine zünftige siegerländer Brotzeit vor. Hausintern nennt man diese Kombination aus Brot, Wurst und Bier den „Dreiklang“.
Den erlebt man auch auf andere Art an so einem ganz gewöhnlichen Tag in Krombach in Kreuztal: Man informiert sich, genießt im Anschluss ein kühles Blondes und geht von deftigem Essen gestärkt in den restlichen Tag. So gut, wie man noch gehen kann eben. Aber schließlich ist es erst halb drei am Nachmittag. Als Andenken dürfen Bierkarte, Kugelschreiber und Flaschenöffner mitgenommen werden, alle Teilnehmer bekommen auch noch ein hauseigenes Kelchglas geschenkt. Für den ganz privaten Biergenuss. Prost!
Bier ist unsere Leidenschaft.
Dr. h.c. Friedrich Schadeberg
Anmerkung: Mein großes Dankeschön geht an den Froschkönig. Es war ein wunderbarer Tag, eine interessante und spannende Erfahrung und nicht zuletzt natürlich ein köstlicher Genuss. Ich danke dir für deine gute Idee und diesen tollen Ausflug!
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