„Betreutes regieren“ nannte es Volker Beck*, was die derzeit noch amtierende Bundesregierung unter anderem zum Thema Gleichstellung beizusteuern hatte…
„Betreuungsgeld“ nennt schwarz-gelb den Betrag, den Eltern bekommen, sollten sie sich entschließen, ihre Kinder zuhause zu betreuen und nicht in die Kindertagesstätte zu schicken. Klar, im Weltbild der CDU, bekanntermaßen doch eher konservativer Ausrichtung und das durchaus mit Stolz, soll die heile Familienwelt bleiben, wie sie ist. Vati geht zur Arbeit, Mutti bleibt bei den Kindern. Und weil dann oft das dadurch verdiente Geld nicht ausreicht, bekommt die Familie eben einen Zuschuss vom Staat. An sich erstmal nicht schlecht, was die Grundsatzidee angeht.
Was ist nun aber mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften? Homosexuelle Paare dürfen derzeit in Deutschland keine Kinder adoptieren. Dürfen sie insofern auch nicht auf Betreuungsgeld hoffen? Die Rechtslage ist hier so komplex, dass ich gar nicht erst im Detail auf alle Möglichkeiten und Beispiele eingehen will. Aber sollten nicht Familien eben genau dies sein und als solche behandelt werden – Familien? Insbesondere die Kinder, unabhängig von der Herkunft, Orientierung und Religionsangehörigkeit der Eltern?
In anderen Fällen ist inzwischen schon sehr eindeutig entschieden worden. Nicht von der Bundesregierung, sondern durch das Bundesverfassungsgericht. Dieses hat beispielsweise in puncto Ehegattenspitting entschieden, dass dieses selbstverständlich ebenfalls für eingetragene Lebenspartnerschaften gelten muss. Trotz des bewusst oder unbewusst gewählten direkten Bezugs zur Institution Ehe im Namen. – Und damit die von schwarz-gelb verabschiedete Lösung für verfassungswidrig erklärt. Insbesondere die Unionsparteien hatten vor der Urteilsverkündung deutlich gemacht, auch hier zwischen der Ehe zwischen Mann und Frau und eben jenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften unterscheiden zu wollen. Zu unrecht, wie die Richter in Karlsruhe befanden.
Eine Richtungsänderung ist jedoch auch danach nicht festzustellen. In einer Informationssendung vor der Bundestagswahl äußerte sich Markus Söder (CSU), ehemaliger Generalsekretär seiner Partei und Minister des ersten Kabinetts Seehofer, auf die Frage wie er zur Gleichbehandlung homosexueller Partnerschaften stehe, das Bundesverfassungericht habe ja „jetzt entschieden“ und damit sei „das Thema durch“. Handlung aus Überzeugung klingt anders.
Auch die Bundeskanzlerin höchstpersönlich tut sich nach eigener Aussage schwer damit, Familien und Partnerschaften aller Art als genau diese ohne Einschränkungen anzusehen. Ihr Auftritt in einer anderen Wahlkampfsendung sorgte für großes Medieninteresse. Dort meinte sie, ein grundsätzliches Problem mit der Vorstellung zu haben, das Kindeswohl sei nicht gefährdet, wenn beide Elternteile das gleiche Geschlecht hätten. Ohne den Gast direkt anzusehen, der ihr die entsprechende Frage gestellt hatte. Sie wolle damit aber nicht sagen, dass es in diesem Einzelfall bei ihm und seinem Partner so sei. Nun ja, wenn es in Einzelfällen nicht gefährdet ist, warum dann auch diese gar nicht erst erlauben?
Alle betroffenen Eltern, unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Orientierung wissen, wie schwierig eine Adoption ist. Es wird auf kleine Details geachtet, die Finanzsituation und die Familienverhältnisse durchleuchtet und mehr. Viele Dinge, die man sich bei anderen, leiblichen Familien manchmal wohl wünschen würde. Offenbar hat man da in der Regierung recht wenig Vertrauen in das eigene Prüfungssystem.
Doch Vertrauen und Prüfung hin oder her, die Regierung kommt nicht umhin anzuerkennen, dass viele ihrer Ansichten und verabschiedeten Gesetze nicht verfassungskonform sind. Da komme ich an einer immer wiederkehrenden Frage nicht vorbei:
Natürlich ist mir bewusst, dass nicht alle grundsätzlichen Ansichten der Regierungsparteien diese Frage aufwerfen, im Gegenteil, die meisten tun dies nicht. Doch dies trifft natürlich auch auf einige Grundsätze von Parteien zu, die als verfassungsfeindlich eingestuft sind. Der Verfassungsschutz beobachtet immerhin auch Bundestagsabgeordnete der Gegenwart, aus mehr oder weniger nachvollziehbaren und triftigen Gründen. Dass dies nicht geändert wird, liegt zum Teil nicht an mangelnder Einsicht, sondern auch an bürokratischen Umwegen, die zu gehen Gerichten und Verantwortlichen oft zu beschwerlich ist. Somit muss auch diese Frage erlaubt sein, die ich oft schon als abwegig, ja geradezu lächerlich abgetan habe, sich aber immer wieder in mein Bewusstsein drängt.
Und natürlich müssen insbesondere die Unionsparteien sich dieser Frage stellen. Schließlich sind sie die einzigen, die sich in diesen Punkten mehrfach und deutlich von Entscheidungen des Verfassungsgerichts distanziert haben, also von denen des Organs, dass über die Auslegung und Auswirkung unserer Verfassung entscheidet.
Auch der Koalitionspartner der Union muss sich nun fragen, ob man nicht wider besseren Wissens** gegen die deutsche Verfassung gestimmt hat, wenn es im Bundestag zur Abstimmung in der Gleichstellungsfrage kam. Der Meinung zu sein, dass eine Tat und Aussage gegen die Verfassung verstößt, dies aber trotzdem nicht nur zu dulden sondern mit zu tragen, verstößt eben deshalb leider nicht weniger gegen die Verfassung.
Und auch hier stellt sich dann die Frage, wie eine andere Regierung in dieser Frage entscheiden würde. Klar, außer der Union ist keine derzeitige Bundestagspartei gegen die Gleichstellung. Doch in Peer Steinbrücks berühmt-berüchtigtem 100-Tage-Plan sucht man konkrete Angaben zur Umsetzung der vollständigen Gleichstellung ebenfalls vergeblich. Und wie sieht die Lösung aus, wenn tatsächlich eine große Koalition unter der Führung von Angela Merkel die nächste Regierung bildet? Wie sich ein „kleiner“ Koalitionspartner, der die SPD in einem solchen Fall schließlich ebenfalls wäre, bisher verhalten hat, ist bekannt. Koalitionszwang nennt man das. Und auch dann wäre die Entscheidung gegen Gleichstellung und die Verabschiedung von Gesetzen, die diese erst nach Urteilen der Verfassungsrichter einbeziehen, nicht weniger ideal als bisher auch. Man kann nur abwarten und das beste hoffen. Bis sich hoffentlich möglichst bald derartige Fragen nicht mehr stellen:
Verändert hat sich in der Tat ja einiges, hoffen wir mal, dass das nach der Wahl weitergeht – verfassungskonform. Dann weiß auch ich wieder, was in Deutschland als Familie gilt und was nicht. Und heiraten werde ich jedenfalls dann erst nach der Wahl.
* Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen beim 1. Flash Talk zur Bundestagswahl im Kölner Jugendzentrum anyway am 22.08.2013.
** Die vollständige gesetzliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften mit der Ehe ist Bestandteil des FDP Partei- und Wahlprogramms.
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