Köln hat einen neuen Imagefilm! Hurra! Weltoffen, modern, innovativ und fröhlich wie diese Stadt ist, kann das nur ein Beitrag werden, den sich jeder (Kölner) gern ansieht. Oder?

Nach Ansicht dieses Meisterwerks Films schießen mir sehr viele Ideen, Eindrücke und Meinungen durch den Kopf. Alle münden in derselben, einzig angemessenen Reaktion: Ich möchte schreien!
Was genau ist das? Und um welche Stadt geht es da? Oder anders gesagt, wenn es in diesem Video wirklich um CCAA, die schönste Domstadt am Rhein geht, dann lässt sich das Bild dieser Stadt wie folgt zusammenfassen:

Köln ist ein wichtiger der wichtigste Wirtschaftsstandort des Rheinlandes Deutschlands Europas der Welt. Hier gibt es ein Tochterunternehmen eines riesigen Weltkonzerns (der seine Werke allerdings in einer Nachbarstadt untergebracht hat). Das Werk eines Automobilherstellers aus Michigan. Und natürlich eine Hochschule. Eine, klar, reicht doch. Schließlich ist Köln eine Wirtschaftsstadt, nicht etwa ein Bildungsstandort oder gar jugendlich, weltoffen und forsch(end). Deswegen kann Köln auch nicht wie andere deutsche Großstädte als Medienstandort dienen. Weder öffentlich-rechtliche, noch private Rundfunkanstalten hätten Entfaltungspotenzial in Köln und alle Sender, Verlage und sonstige Medienunternehmen, die dennoch ihren Sitz und/oder Standorte in Köln haben, sind für die deutsche Medienlandschaft nicht von Relevanz. Weil Köln soviel Wirtschaftspower hat, ist leider auch nicht besonders viel Kapazität für anderes da. Ja, gut Sport und Kultur gibt es in Köln. Überwiegend Eishockey, was aber vor allem deshalb wichtig ist, weil die Spiele in der Halle ausgetragen werden, die den Namen von oben besagter Tochterfirma trägt. Dazu ein bisschen Fußball, aber wirklich von Bedeutung ist der Klub mit der Ziege nicht für diese Stadt. Obwohl das Stadion den Namen des bedeutendsten Energieversorgers überhaupt trägt. Ohne die läuft in Köln nämlich gar nichts. Nicht mal der Rhein würde von allein fließen, wie schon der Name des Konzerns vermuten lässt.

Viel Wirtschaft, ein wenig Sport, keine Medien!
Aber kulturell hat Köln wirklich viel zu bieten: In Köln findet jedes Jahr (mindestens) dreimal ein Rosenmontagszug statt, an dem jeweils 3 Mio. Menschen teilnehmen. Einen CSD, dazugehörige Events und Demonstrationen hat Köln nicht. Genauso wenig, wie eine OberbürgermeisterIN, die nicht nur den Frauenanteil im Video deutlich erhöht hätte, sondern schon allein aufgrund ihres Amtes ein ganz anderes Bild vom Verhältnis Köln-Frau hätte zeichnen können. Aber das passt ja dann irgendwie nicht ins Bild. Der Film zeichnet das starke, solide und leider völlig überholte Bild von Köln, das sicher an der ein oder anderen Ecke immer wieder aufflackert (insbesondere wenn man den Gebäuden der Stadtverwaltung zu nah kommt), aber eben allerhöchstens die dunkelgraue Ecke eines eigentlich bunten Stadtbilds ist. Köln plus Partner e.V. hat ihn nach eigener Aussage „zusammen mit Kölner Unternehmen realisiert“. Unternehmen, ja, das sieht man auch.
Damit wir uns hier nicht falsch verstehen: Köln ist ein wichtiger und starker Wirtschaftsstandort. Und in Köln arbeiten sehr wichtige Männer an sehr wichtigen Dingen. Aber das kann ja wohl nicht alles sein. Das ist nicht alles:
Köln ist tolerant, weltoffen, hat eine Frauen- Schwulen- Behinderten und sonstwas -Quote eigentlich nicht nötig (aber über eine verpflichtende Einhaltung in Imagefilmen könnte man mal nachdenken).
Köln ist lebendig, fröhlich, bunt. Bunt! Und bunt!
Das Image der kühlen, nüchtern-sachlichen und modernen Stadt, die zwar ihre Geschichte nicht leugnet aber auch nicht stolz darauf ist, passt einfach nicht. Ich habe schon einmal das Gefühl beschrieben, das Köln für seine Einwohner so einzigartig macht:

Die Liebe der Kölner zu ihrer Stadt ist wie die einer Mutter zu ihrem behinderten Kind!

Und ja, Köln ist genau das. Ein bisschen behindert. In wahrscheinlich allen Belangen!
Ich meine hey – wir haben RTL(!), wir haben Straßenkarneval und CSD (jeweils mit einer Armlänge Abstand, allerdings nur für Frauen, wenn mal welche da sind), wir haben eine Baustellenoper, einen Müllsack als Konzerthaus.
Wir haben Lukas Podolski (und sind stolz darauf!), wir haben eine historisch nicht ganz unbedeutende, aber leider ständig verhüllte Kirche, das wahrscheinlich löchrigste Stadtarchiv und die am langsamsten befahrene Autobahnbrücke (na gut, die ist auch wieder nach der Nachbarstadt mit dem großen Chemiekonzern benannt) der Welt.
Und das alles finden die Kölner ist verdammt geil! Eben weil es mit Perfektion, Sachlichkeit und auch (ja, da müssen die Kölner jetzt durch) moderner Urbanität nur sehr entfernt nichts zu tun hat.

Köln ist nicht Berlin, nicht London und schon gar nicht Washinton D.C., auch wenn dieser Film etwas anderes zu vermitteln versucht. Überhaupt werde ich den Eindruck nicht los: Da hat wohl jemand zu viel House of Cards (zum Vergleich das Intro der Serie auf YouTube) gesehen! Aber passt ja. Die einzige wirklich in allen Staffeln relevante Frau in dieser Serie hat schließlich auch kurze Haare. Aber vielleicht hatten Carolin Kebekus, Gaby Köster und Anette Frier einfach wichtigeres zu tun, als sich über Köln zu äußern. Oder sie waren einfach zu witzig. Das passt dann natürlich nicht. Schließlich ist Köln nicht witzig, sondern erfolgsorientiert. Fehlt eigentlich nur noch der Slogan zum Abschlus:

Köln – humorlos, sachlich, ernst

Gutes Stichwort! Womöglich merkt man es diesen Zeilen ein klein wenig an: Ich kann weder diesen Film, noch Köln als Stadt so richtig ernst nehmen.

Kommentare zum Imagefilm Köln
Quelle: Screenshot/ YouTube, Köln plus Partner e.V.

Und ich stehe damit nicht allein da, wie man den Kommentaren unter dem Beitrag (Klick auf das Bild rechts) und auch anderernorts entnehmen kann. Vielleicht ist das der einzige wesentliche Faktor, den beide uneingeschränkt gemeinsam haben. Und in beiden Fällen lässt es sich so ganz wunderbar und fröhlich damit auskommen: Man muss Köln nicht ernst nehmen, um es lieben. Der Film nimmt sich und die Stadt zu ernst und erreicht damit eben auch das Gegenteil. Blöd nur, dass dabei kein unbedingt grundsätzlich schlechter, aber auf jeden Fall völlig falscher Eindruck dieser wundervollen Stadt entsteht. Aber wer weiß, womöglich schafft sich da nur jemand eine langfristige Arbeitsmaßnahme, frei nach Opernhaus, Stadtarchiv und Nord-Süd-Stadtbahn. Denn nach diesem Imagefilm braucht die Stadt Köln ganz dringend einen Imagefilm!

Ich hätte da sogar ein paar Ideen. Macht jemand mit?

3 Antworten

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