Was man alles tun kann, wenn man sich nicht an irgendwelche Grenzen halten muss, erlebt man dieser Tage auf eindrucksvolle Weise. Beispiel gefällig?

Es tut mir ja auch leid. Ich muss schon wieder etwas dazu sagen! Wozu? Na, zu Twitter natürlich. Wer auf dieser (noch) geschätzten Social Media Plattform meines Vertrauens zuhause ist, weiß spätestens jetzt, worum es in diesem Blogpost geht. Richtig: Tweets können seit gestern für jeden Nutzer 280 Zeichen enthalten. Klingt wenig? Ja, für manche Facebook-Nutzer (und Blogger, womöglich) mag das stimmen. Aber auf Twitter ist das eine Steigerung auf das Doppelte. Da brauche ich ja fast gar nicht mehr hier zu bloggen, passt fast alles in einen Tweet!
Vorteil: Jetzt können auch die ganzen Menschen, denen es bisher zu schwierig war, sich in 140 Zeichen verständlich auszudrücken endlich Twitter nutzen.
Nachteil: Jetzt können auch die ganzen Menschen, denen es bisher zu schwierig war, sich in 140 Zeichen verständlich auszudrücken endlich Twitter nutzen.

Twitter als Unternehmen hat eigentlich kaum eine andere Wahl, als das Netzwerk massentauglicher und damit weniger elitär zu gestalten. Zu viele der zwar zahlreichen aber für gewinnbringende Zahlen noch immer deutlich zu wenigen Nutzer nutzen Twitter eben nicht in dem Sinne, wie es nötig wäre, um damit zumindest so viel Geld zu verdienen, dass sich eine langfristige Perspektive auf dem Finanzmarkt abzeichnen würde. Und ja, ich schere an dieser Stelle einfach mal alle über einen Kamm. Denn ausbaden müssen es ja sowieso alle. Alle, die jetzt wesentlich mehr scrollen müssen, weil ja jeder einzelne Tweet nun (theoretisch) doppelt so lang ist, wie vorher. Was natürlich nicht heißt, dass jetzt alle nur noch halb so viele Tweets schreiben, nein. Sie denken nur weniger darüber nach, wie sie mit wenigen Worten so viel wie möglich sagen können. Für Nutzer heißt das: Mehr Füllwörter lesen, weniger essentielle Infos erhalten, wieder mehr selbst filtern. Na klasse: Willkommen auf Facebook 2.0.

"Ich melde mich doch nicht auf Facebook ab, damit jetzt hier alles genauso wird."

Na ja, ganz so schlimm ist es nun auch nicht. Immerhin muss ich einigen Lesenden hier immer noch zuweilen erklären, was Twitter ist und wofür man das braucht. Aber es beschreibt das größte Problem, das die Einführung von 280 Zeichen für Twitter mit sich bringt. Man verprellt die Basis. Diejenigen, die seit Anbeginn diesem Netzwerk die Treue halten. Die auch dann nicht weggegangen sind, als plötzlich die Tweets nicht mehr chronologisch angezeigt wurden. Als plötzlich Erwähnungen anderer Nutzer, Links und Bilder nicht mehr zur Zeichenbegrenzung dazu zählten. Als die Sterne zu Herzchen wurden (die Älteren erinnern sich!). Die Frage ist: Wie viel Facebook verträgt Twitter? Wiegt die Zahl derer, die wegen solcher „Verbesserungen“ nun neu dazu kommen die Zahl derer auf, die für immer verschwinden? Entweder, weil eben diese Neuerungen ihnen nicht gefallen oder, noch paradoxer, weil Twitter nun eben doch auch endgültig überläuft mit den ganzen armen Irren ohne Hobby, mit denen auf Facebook schon allmählich niemand mehr reden will. Denen, die Gruppen wie „Kann diese Brezel mehr Fans haben als Donald Trump“ gründen und darin dann Bildchen mit Sprüchen drauf posten, die weder etwas mit Donald Trump, noch Brezeln zu tun haben, wahrscheinlich nicht einmal im Entferntesten mit Nahrung oder gar Politik.

Und ja, da wirklich kaum ein solcher Facebook-Post mehr als 280 Zeichen enthält, droht demnächst die Invasion dieser Seiten, Bilder und sonstigen Schwachsinns-Inhalte, von denen ein winziger Bruchteil witzig ist – und nur ein winziger Bruchteil davon nicht von Twitter geklaut.

"140 Zeichen sind zu wenig um unter das Urheberrecht zu fallen!"

Diese Ansicht der Rechtssprechung in Deutschland hat sich jetzt dann ja wohl erledigt. Und was ist mit 280 Zeichen? Ab wie vielen Zeichen ist Kreativität denn schützenswert? Und was ist, wenn ich 280 Zeichen nutzen dürfte, aber weniger benötige? Ist mein Tweet nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn ich den Rest mit Leerzeichen auffülle? Fragen über Fragen, eine davon weniger wichtig für den Fortbestand der Menschheit als die andere. Obwohl – wenn man bedenkt, dass auch Donald Trump jetzt pro Tweet noch weniger nachdenken muss, ob er das wirklich so schreiben sollte, kann einem nur Angst und Bange werden!

Eines wird Twitter jedenfalls auch mit 280 Zeichen so schnell nicht werden: Langweilig!

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Beitragsbild: pixabay.de / Manuel Fuß