Nicht ohne Grund ist Weihnachten das Fest der Kinder. Wir alle haben Erinnerungen an Weihnachtsfeste, die wir als Kind erlebt haben. Typische Momente, die wir mit Weihnachten verbinden, Traditionen, die wir bis heute pflegen. Und heute, wenige Tage bevor wir wieder Weihnachten feiern, blicken wir zurück auf dieses Weihnachten in der Kindheit. #ThrowbackThursday – Christmas Edition.
Es ist Heilig Abend. Der längste Tag des Jahres. Am Vorabend bin ich extra früh ins Bett gegangen. Denn je schneller man schläft, desto schneller ist Weihnachten. Ganz früh am morgen wache ich auf, die Aufregung lässt mich nicht länger schlafen. Und kaum bin ich wach, stehe ich schon im Zimmer meiner Schwester, die natürlich ebenfalls schon wach ist. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zum Adventskalender, um das letzte Türchen zu öffnen. Vielleicht ist eine Spielzeugfigur darin, die zum Set der 23 vorigen Figuren passt. Oder eine weihnachtliche Aufmerksamkeit von Mama, wie bisher diesen Monat. Vielleicht aber auch Kerzen, Edelsteine, Schnitzereien aus Holz, irgendwas eben, das zu dem passt, das im diesjährigen Adventskalender zu finden war. Wahrscheinlich keine Schokolade.
Kaum hat sich die Aufregung um den Adventskalender gelegt, fällt mir schlagartig wieder ein, dass heute ja der große Tag ist. Heilig Abend, klar. Aber auch der Tag, an dem der Kinderchor das Krippenspiel aufführt. In der überfüllten Kirche, zur Kindermette. Die Vorfreude wechselt sich ab mit Ungeduld. Schließlich ist der große Augenblick noch eine Ewigkeit hin. Heute Abend. Um 16 Uhr. Und erst um 14 Uhr brechen wir auf. Das dauert noch ewig.
Der längste Tag des Jahres vergeht auch dadurch nicht unbedingt schneller, dass die Tür zum Wohnzimmer verschlossen ist. Das ist nicht sonderlich überraschend, schließlich ist sie das jedes Jahr vor Weihnachten. Und auch dieses Jahr schon seit Wochen. Mindestens! Warum auch immer – die Geschenke gibt es schließlich erst heute Abend. Wofür muss da schon vorher das Wohnzimmer so lange versperrt sein? Bei aller Neugier – einen unbedachten Moment abpassen, in dem Mama vielleicht vergisst, abzusperren, will ich dann doch nicht. Keine Geschenke bekommen? Oder noch schlimmer, mir selbst die Überraschung verderben? Lieber nicht!
Wenn ich es dann aber nicht mehr aushalte und die Neugier einfach zu groß wird, frage ich bei Mama nach. Nicht oft, höchstens ein paar Mal am Tag. Ihre Antwort ist immer dieselbe. „Es weihnachtet sehr!“ Das ist gar kein richtiges Verb, weihnachten. Wie soll denn das klingen? Ich weihnachte? Du weihnachtest? Es weihnachtet. Ja. Und das sogar sehr. Ich frage mich, wann dieser Ausdruck tatsächlich in ein Wörterbuch aufgenommen wird:
weihnachten (Verb): beschreibt Prozesse, die hinter verschlossenen Türen ablaufen und ohne die das Weihnachtsfest nicht stattfinden kann, die aber vorher verborgen bleiben müssen
Nach viel zu langer Wartezeit machen wir uns endlich auf den Weg zur Kirche. Noch ein kurzer Probedurchlauf, danach wieder warten, bis die Kindermette endlich beginnt. Warum ist das eigentlich so spät? Um 16 Uhr – da wird es ja schon beinahe dunkel! Endlich klingelt die Glocke, die Mette beginnt und dann auch, endlich, das Stück, für das wir seit Wochen geprobt haben. Nur alle paar Jahre wird vom Kinderchor das Krippenspiel aufgeführt, das die Weihnachtsgeschichte mit verschiedenen Liedern, Schauspiel und in traditionellen Kostümen erzählt.
Ich spiele in diesem Jahr einen der Hirten auf dem Feld. Sogar einen, der einen kurzen Text aufsagt. Eigentlich wollte ich alle damit überraschen. Aber meine Schwester konnte vor Begeisterung nicht an sich halten und hat es schon vorher erzählt. Kurz war ich beleidigt, aber jetzt bin ich einfach stolz. Es gibt neben einigen Hirten außerdem Engel, die Gastwirte in den Wirtshäusern Betlehems, natürlich Maria und Josef (beide gespielt von Mädchen) und einen Nachtwächter, der durch die Kirche wandert und die fortschreitende Uhrzeit bekanntgibt. Laut rufend, sogar von der Empore herab. Er stampft davor immer mit seinem Laternenstab auf, damit alle Leute ihm auch zuhören. Ich bin sicher, wenn ich groß bin, vielleicht 10, werde ich auch einmal den Nachtwächter spielen.
Viel zu schnell ist das Krippenspiel aufgeführt, das Christkind wird von den Messdienern feierlich zu den Klängen „Zu Betlehem geboren ist uns ein Kindelein“ in die Futterkrippe gelegt und die Mette geht zuende. Allerdings nicht, bevor zum Abschluss noch „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen wird und die Lampen in der Kirche ausgeschaltet werden. Nur von Kerzenschein erhellt, strahlt dieses alte, christliche Gebäude eine Atmosphäre aus, die es so nur an Weihnachten gibt. Dieser Moment ist einzigartig, etwas ganz besonderes. Jetzt ist es da. Weihnachten.
Passend dazu reißen die Wünsche gar nicht ab, als wir vor die Kirche treten. „Frohe Weihnachten“ wünschen einander alle, die dort stehen. Menschen, die ich das ganze Jahr über mehr oder weniger häufig sehe, die ich mehr oder weniger gut kenne, mehr oder weniger gern mag. Aber all das ist jetzt egal. Es ist auf einmal, plötzlich und unerwartet, dunkel geworden. Und kalt. Nur die Straßenlaternen geben ein wenig Licht, leichter Frost legt sich auf die Mauern und Treppenstufen vor der Kirche. Der Atem kondensiert vor den Gesichtern. Ja, es ist Weihnachten. Und so schön dieser Moment auch ist, so langsam müssen wir wirklich nach Hause. Dort weihnachtet es schließlich auch schon sehr. Seit Wochen. Und das muss doch jetzt irgendwann ein Ende haben. Wie in den letzten Jahren auch. Nicht, dass wir noch irgendetwas verpassen.
Zuhause angekommen stürmen wir natürlich nicht etwa direkt in das festlich geschmückte Wohnzimmer – die Tür ist noch immer verschlossen – sondern kehren erst einmal ganz besinnlich in die Küche ein. Dort stehen im Nu Teller mit selbst gebackenen Weihnachtsplätzchen auf dem Tisch, dazu Printen, Lebkuchen, Dominosteine. Ich halte mich sehr zurück, nicht zu viel davon zu essen. Mama findet, es reicht trotzdem jetzt mal. Nach der Bescherung darf ich noch mehr haben. Und wieder zieht sich die Zeit so dahin.
Aber nun lesen wir endlich die Weihnachtsgeschichte. Bisher hat das immer ein Erwachsener gemacht. Aber heute darf ich das endlich übernehmen. Aus meinem eigenen Buch, das mit vielen Bildern und wenigen Worten beschreibt, wie das damals war, mit den Engeln, den Hirten, Ochs und Esel, Maria und Josef… aber die Geschichte kennt ihr ja bestimmt. Am Ende der Geschichte stimmen wir alle gemeinsam Weihnachtslieder an. „Stern über Betlehem“, „Ihr Kinderlein kommet“ und natürlich „In der Weihnachtsbäckerei“. Alle auswendig. Schließlich hören wir sie schon seit Wochen mehrmals täglich. Als „Kling Glöckchen Klingeling“ angestimmt wird, rückt der Moment in greifbare Nähe: Wir müssen darauf achten, ob im Wohnzimmer tatsächlich ein Glöckchen klingelt.
Es klingelt und wir stürmen los. Die Tür lässt sich plötzlich öffnen und wir tauchen ein in eine Welt, wie wir sie – wie jedes Jahr – nicht für möglich gehalten hätten. Das Wohnzimmer ist auf unerklärliche Weise dunkel, kein Licht dringt von außen herein, und doch hell erleuchtet. „Hell erglühen die Kerzen.“ Ganz wie in dem Lied. Ganz sanft und doch unüberhörbar dringt Weihnachtsmusik in unsere Ohren. Rolf Zuckowski. Die einzig wahre Weihnachtsmusik. Dann nehme ich den Geruch war. Orange, Apfel, Zimt, Spekulatius – alle diese Gerüche, die es nur zu Weihnachten gibt. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals.
Der erste Blick fällt auf den Weihnachtsbaum. Mit kleinen, flackernden Lichtern übersäht und liebevoll geschmückt. Mit bunten Anhängern, kleinen Päckchen und Kugel und ja, sogar ein paar von uns Kindern selbst gebastelten Weihnachtsmotiven. In einer Ecke unter dem Baum leuchtet der Weihnachtsstern. Klein, aber doch prägnant thront er auf einer großen, ausgehöhlten Wurzel, die am Rand einer ausgedehnten Krippenlandschaft aufgebaut ist. Und hier sind sie alle, die Protagonisten aus der Geschichte, die wir heute schon zwei mal erzählt haben. Und Schafe, sogar die heiligen drei Könige, wenn auch noch etwas abseits, auf der Reise, deren Ende sie am 6. Januar erreichen werden. Ich freue mich schon jetzt darauf, nach der Bescherung mit den Figuren zu spielen, die extra zu diesem Zweck aus Holz und Stoff gefertigt und beweglich sind.
Nun ist es Zeit für die Bescherung. Reihum gehen wir zum Stapel mit den Geschenken (sind es schon wieder mehr als letztes Jahr?) und greifen eines heraus. Die Buchstaben, die entweder auf das Geschenkpapier oder auf kleine Anhänger an den Paketen gestempelt oder geschrieben sind, zeigen, für wen das Geschenk ist. Man übergibt dann das Päckchen und sodass alle auspacken, was auch für sie bestimmt ist und man sich dennoch immer abwechseln kann. Es ist eine gemeinsame Bescherung, von der alle etwas haben. Und man kann sich bei jedem Geschenk mit freuen.
Ich bin wahnsinnig erstaunt, wie es sein kann, dass schon wieder so viele Dinge, die ich mir wirklich gewünscht habe, tatsächlich unter dem Weihnachtsbaum gelandet sind. Schließlich musste ich selbst auch überlegen, was ich verschenken möchte. Klar, über Selbstgebasteltes freuen sich meine Eltern immer. Oder über ein selbst geschriebenes Gedicht. Meine Schwester bekommt einen einen kleinen Raben aus Plüsch mit einer gestreiften Socke. So einer hilft ihr in der Schule und in den Schulbüchern beim Lesen und Schreiben lernen. Den aus der Schule und den Büchern mag sie sehr, deshalb hielt ich das für eine gute Geschenkidee. Sie fällt mir voller Freude um den Hals. Das ist Weihnachten.
Nachdem alle Geschenke ausgepackt sind, setzen wir uns an den festlich gedeckten Tisch. Seltsam, der ist mir bisher gar nicht aufgefallen. Dabei weiß ich doch eigentlich, dass er da steht. Auch hier stehen Kerzen, aber nur wenige, damit noch genug Platz ist für das Essen. Und natürlich der Adventskranz. Alle vier Kerzen brennen und die letzte ist schon besorgniserregend klein geworden. Es gibt eines meiner Lieblingsessen: Auflauf. Jedes Mal ist wieder erstaunlich, wie der so schnell fertig wurde, schließlich haben wir nur ein paar Minuten Geschenke ausgepackt und es ist gerade mal 19 Uhr. Es schmeckt wirklich unglaublich gut, aber trotzdem dauert es viel zu lange, bis es endlich, nach 20 Minuten, Nachtisch gibt. Sogar mit Eis. Das mag ich auch besonders gerne.
Weihnachten ist wirklich toll. Und ich bin froh, dass es wieder so vieles gibt, über das ich mich freue. Beim Essen, bei den Geschenken und überhaupt den ganzen Tag über. Ich fühle mich wohl, geborgen, geliebt, zu Hause. Zusammen probieren wir nach dem Essen jetzt noch die Geschenke aus, die es gab. Ich fahre mit Papa auf der Autorennbahn um die Wette, die aufgebaut ist und lese in dem Wissenschaftsbuch, dass ich ausgepackt habe. Außerdem spielen wir zusammen in der Krippenlandschaft die Weihnachtsgeschichte nach und bringen die Hirten zur Krippe, wo sie vor dem Christkind niederknien, während die Schafe in dem nahen Bach etwas trinken oder vom Heu von Ochs und Esel naschen. Die Zeit vergeht auf einmal unglaublich schnell. Aber heute dürfen wir lange aufbleiben, bis es schon fast Mitternacht ist. Ausnahmsweise.
Frohe Weihnachten!
Klicke jeden Tag auf das entsprechende Türchen und lies jeden Tag einen neuen weihnachtlichen Blogbeitrag!
Mit lealebt.de und daydreamer-kev.de.
© 2012 – 2021 | Made with ♥ in Europe
formerly known as flourish103
IMPRESSUM | DATENSCHUTZBESTIMMUNGEN
© 2012 – 2021 | Made with ♥ in Europe | formerly known as flourish103 | IMPRESSUM | DATENSCHUTZBESTIMMUNGEN
Eine Antwort