Es ist jetzt etwa ein Jahr her, dass ich zuletzt das Meer gesehen und gespürt habe. Und es zieht mich immer wieder dorthin. Das Meer. Ein Wort, ein Begriff, so nichts- und vielsagend in einem. So passend und unpassend zugleich. Denn schließlich gibt es ja eigentlich nicht das Meer. Es gibt viele Meere, sogar Ozeane. Und doch verbinde ich ein ganz bestimmtes Gefühl damit.
Natürlich ist es ein großer Unterschied, ob ich im rauen Wind an der Nordsee stehe und mir die salzige Gischt auf die Haut prasselt oder ob ich vor einer winzigen Insel im pazifischen Ozean nach Korallen tauche. Das Meer vermittelt mir schon immer ein Gefühl von Heimat. Dabei war ich nie jemand, der besonders gerne am Strand liegt oder gar im Meer schwimmt. Und das, obwohl ich leidenschaftlich gerne schwimme. Auch das fehlt mir sehr. In Zeiten von Sicherheitsmaßnahmen zur Eindämmung einer globalen Pandemie ist es wohl eine nachvollziehbar schlechte Idee, sich mit mehreren (fremden) Menschen ein (noch so großes) Schwimmbecken zu teilen. Gechlortes Wasser hin oder her.
Aber noch viel mehr als das Schwimmen fehlt mir das Gefühl am Wasser zu sein. Es ist ein viel tieferes, viel weiter reichendes Gefühl. Zum einen, weil ich (zumindest außerhalb von Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen) problemlos mal eben in ein Schwimmbad gehen, aber eben nicht mal eben ans Meer fahren kann. Dafür wohne ich dann doch am falschen Ort. Und ja, ich liebe es, in Köln am Rhein entlang zu spazieren. In einer Rheinbucht am Ufer zu sitzen, mit einem Kölsch auf die Heimat anzustoßen und vielleicht gute Musik zu hören ist wundervoll. Das kommt dem Gefühl, am Meer zu sein schon vergleichsweise nah. Aber es ist eben nicht das Meer. Da ist vieles noch anders. Die Luft, der Geruch, das Gefühl.
Ich war schon immer ein Mensch, der gern viel unterwegs ist. In meiner unmittelbaren Umgebung, meinem Viertel, meiner Stadt, meiner Region. Aber eben auch darüber hinaus. Ich liebe und brauche es, zu reisen, das Gefühl zu haben, trotz eines festen Heimathafens immer wieder in die Welt hinaus zu können. Das macht mich aus, das ist für mich Luxus, Lebensgefühl, Freiheit. Und das fehlt mir sehr. Mehr als alles andere steht hierfür das Gefühl, an der Küste zu sein. Es vermischt sich hier für mich einfach das Gefühl unendlich weit in die Ferne zu sehen und dennoch schon dort zu sein.
Ich liebe es, zu wandern. Das Gefühl, auf einen Berg zu klettern und die Aussicht zu genießen ist toll. Das wäre auch mal wieder schön, aber wenn es sich nicht ergibt, finde ich mich damit ab. Am Meer bin ich immer auch zuhause. Warum ist das so? Schon in frühester Kindheit war ich oft am Meer. Es entstand eine Verbindung, die ich nie mehr aufgelöst habe und die mich als Mensch prägt. Geht das vielen Menschen so, oder bin ich damit allein? Oft höre ich, dass Menschen gerne mal wieder ans Meer wollen – oder überhaupt mal dorthin. Warum übt dieser Ort, dieses Wort, dieses Gefühl so eine Anziehung auf uns aus?
Ist es Zufall, dass dieser Satz genauso klingt wie „Sehnsucht nach mehr“? Diese unendliche Weite, die sich erschließt, wenn man auf das Meer hinaus blickt. Nach oben nichts als Himmel, nach unten nichts als teilweise unbekannte Tiefen und auch nach vorn Wasser, so weit da Auge reicht. Da ist überall noch mehr, als das Auge sieht. Mehr, als wir (be-)greifen können. So viel zu entdecken, zu erleben und, natürlich, zu wiederholen. Eine unendliche Perspektive, scheinbar unendliche Möglichkeiten. Etwas, nach dem man sich auch im Leben zuweilen sehnt.
Zumindest für mich ist diese im ersten Moment rein akustische Ähnlichkeit mehr als nur das. Vielleicht ist es wirklich so, dass Meer mehr ist. Ich sehne mich nicht nach Wasser, nicht nach Sand, Sonne oder Wind. Ich sehne mich nicht nach salziger Luft, nicht nach Muschelschalen und nicht danach, wieder schwimmen zu können. Nicht nach Urlaub, einer Fahrt auf dem Schiff, dem Blick über eine wunderschöne Küstenlandschaft. Alles das fehlt mir, aber ich sehne mich nach mehr. Ich sehne mich nach Meer.
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