Ich lache viel. Mehrmals täglich. Aber irgendetwas stimmt da nicht. Ich habe jetzt seit mehreren Wochen immer wieder Motivationsprobleme. Es ist nicht so, dass ich nichts schaffe. Ich gehe meiner Arbeit nach und schaffe die Dinge, die ich schaffen muss, aber eben nicht mehr. Ich habe ganz große Schwierigkeiten, mich über den ganz normalen Arbeitsalltag hinaus zu motivieren, Dinge zu tun. Es gibt vieles, das mir Spaß macht.
Ich gehe mit Freunden aus, ich gehe essen, ich gehe ins Kino, freue mich über gute Filme – kann über all das erzählen, kann darüber fröhlich erzählen, kann darüber lachen. Schaue mir Zuhause Filme und Serien an, schaue mir Sport an, mache selber Sport – alle diese Dinge, die zu meinem Alltag gehören, funktionieren. Und dennoch habe ich jeden Tag das Gefühl: Eigentlich hatte der Tag keinen Inhalt. Eigentlich habe ich selber nichts dazu beigetragen, dass er außergewöhnlich wurde.
Dieses ganze Übermaß an Gewöhnlichkeit zieht mich so runter, dass ich dieses Gefühl nicht loswerde. Das Gefühl, allein zu sein. Das bin ich nicht. Ich bin ständig unter Menschen. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass ich irgendetwas mit Leuten unternehme. Es ist nicht so, dass ich mich komplett zurückziehe, sondern sogar so, dass ich sehr viel mehr den Kontakt suche, als ich das sonst oft getan habe. Es ist so, dass ich die Nähe anderer Menschen spüren will. Wahrscheinlich weil etwas in mir merkt, dass ich sonst verkümmere, mich noch mehr allein fühle, dass mir die Decke auf den Kopf fällt und ich noch mehr das Gefühl habe, eigentlich nichts zu erreichen.
Ich vergleiche mich viel mehr mit anderen Menschen, als ich das früher getan habe. Ich sehe Person A, die für die Geschichte schon sehr viel bewegendes erreicht hat. Manchmal sogar ein kleines Kind vielleicht, oder ein Teenager. Oder aber Sportler, die mein Alter haben oder zum Teil auch deutlich jünger sind als ich, die nach Weltkarrieren streben oder zumindest auf einem mittelmäßig guten Profi-Niveau angekommen sind. Um von dem leben zu können, was sie da machen: Sport.
Mir wird bewusst: Ok, du bist in einem Alter, in dem du das nicht mehr erreichen kannst und wirst. Du wirst nicht mehr die ultimative Sportkarriere erreichen. Du wirst nicht mehr als junger Mensch schon etwas erreicht haben, das in diesem Alter niemand oder nur sehr wenige Menschen erreicht haben. Und anders, als das bisher der Fall war, ärgert mich das.
Weil ich das Gefühl habe: Na ja, ich habe es doch selbst in der Hand. Weil ich andere Menschen sehe, die nicht auf Weltniveau, aber doch im kleine, im privaten vielleicht oder im allgemein-gesellschaftlichen einen Teil beigetragen haben dazu, dass es irgendwie anders wird. Dass es besser wird. Dass Dinge geschehen, die es ohne sie nicht gegeben hätte.
Ob es nun in meinem Arbeitsumfeld Menschen sind, die ein bestimmtes Ziel erreicht haben oder die etwas umgesetzt haben – ein Projekt, ein Produkt, eine Idee, die nachhaltig ist, die funktioniert und die mit ihrem Namen verbunden ist – womit sie sich zurecht identifizieren, worauf sie zurecht stolz sein können. Und das ist etwas, das mir fehlt.
Ich bin stolz darauf, was für ein Mensch ich bin. Es ist nicht so, dass ich denke: Ich bin niemand. Aber ich habe dennoch das Gefühl ich bin nicht genug. Und ich habe dennoch das Gefühl: Etwas stimmt daran nicht.
Natürlich weiß ich, dass ich genug bin. Natürlich weiß ich, dass ich Freunde habe. Dass ich Menschen habe, mit denen ich gerne Zeit verbringe, die gerne Zeit mit mir verbringen, weil ich merke, dass sie sich auch diese Zeit nehmen wollen. Auch dann, wenn nicht immer alles glatt läuft, wenn es immer wieder Meinungsverschiedenheiten habe. Aber ich merke, auch zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich Freundschaften habe, die Meinungsverschiedenheiten, lange Kontaktpausen, Missverständnisse dauerhaft aushalten. Und das tut sehr gut.
Und trotzdem merke ich auch, dass mir etwas fehlt. Ich merke, dass ich nicht zufrieden bin. Ich merke: Irgendetwas stimmt nicht. Und ich weiß nicht genau, was ich selbst tun kann, um aus dieser Spirale heraus zu kommen. Denn das, was mir fehlt, das, was nicht stimmt, hat nicht direkt etwas mit mir zu tun.
Natürlich muss ich mich motivieren. Ich will etwas tun, will etwas erreichen und das kann ich nur, in dem ich etwas mache, in dem ich selbst vorankomme. Nicht nur in Gedanken, nicht nur mit Worten, sondern aktiv danach strebe, das zu erreichen, was ich erreichen möchte. Aber ich merke eben auch, dass mir gerade im Moment die Kraft dazu fehlt, das allein zu schaffen. Und ich merke, dass ich die Unterstützung anderer dafür brauche.
Und ich merke auch, dass es den Willen anderer gibt, mir diese Unterstützung auch zuteil werden zu lassen. Und dennoch: Irgendwas funktioniert da nicht so, wie es sein müsste. Oder sein müsste, damit es funktioniert. Ich kann es nicht beschreiben, aber dadurch, dass dieser Prozess in mir schon eine ganze Weile so abläuft, dass ich merke, dass ich aus diesem Kreislauf nicht so recht ausbrechen kann, wird der Wille, der Wunsch, immer stärker, dass mir jemand dabei hilft, dass jemand die Hand ausstreckt und sagt:
Und das ist etwas, das ich von mir so nicht kenne. Normalerweise bin ich derjenige, der die Hand ausstreckt und jemanden irgendwo rauszieht. Normalerweise bin ich derjenige, der sagt: „Das habe ich geschafft!“ Natürlich habe ich immer Unterstützung gehabt. Von Freunden, von Familie, von anderen Menschen. Aber ich war auch in der Lage, meinen eigenen Weg zu gehen, meine Energieleistung aufzubringen. Meinen Kampf zu gewinnen. Aber jetzt fehlt mir irgendetwas dazu.
Und ich frage mich, was es ist. Und ich frage mich, wer es mir zeigt. Wer mir das gibt, was mir jetzt gerade fehlt. Langsam verliere ich die Geduld mit mir selbst, darauf zu warten. Und so lange einfach weiter solide, stoisch, vernünftig meinem Alltag nachzugehen. Der funktioniert. Aber irgendwas stimmt nicht.
Deswegen seid füreinander da. Habt ein Auge darauf, wie es anderen geht! Habt ein Gespür dafür: Läuft alles geradeaus? Vielleicht anders, als es mal war? Macht jemand auf euch den Eindruck, Hilfe zu benötigen? In welcher Form auch immer. Es muss nicht gleich das große Ganze sein. Es muss nicht gleich der riesige Aufschrei sein, die Katastrophe, die Endlos-Depression, eine Krankheit. Es kann auch der kleine Moment sein, der genau das vielleicht verhindern kann, der genau das andeutet und weil man ihn entdeckt aber nie Wirklichkeit werden lässt.
Seid füreinander da, streckt die Hand aus und schaut einfach mal, wer sie ergreift. Sagt einfach: „Hier bin ich – und wenn jemand hier auch sein möchte, mit mir hier sein möchte und einfach sich, sein Leben, seine Ängste, seine Sorgen, mein Leben, meine Ängste, meine Sorgen mit mir teilen möchte, dann ist das ok, dann bin ich dafür da.“ Es geht nicht um Therapien, nicht um Ersatzleistungen, die geschulte Leute leisten können. Es geht um diese kleinen, alltäglichen Gesten. Diese kleinen, alltäglichen Dinge, wenn Menschen schon möglicherweise genug aufbauen können, um zu verhindern, dass größere Maßnahmen notwendig werden.
Das ist ein Gedankenspiel. Ein Prozess, der sich in den letzten Wochen in mir entwickelt hat und sich jetzt in einem ganz spontanen Moment, in dem ich mir eigentlich nur mein Frühstück zubereiten wollte, Bahn bricht, heraus kommt und zum ersten Mal auch in Worte gefasst wird.
Mir geht es gut. Ich habe ein gutes Leben. Ich habe keine Sorgen und Nöte was meine Existenz betrifft. Ich habe ein gutes Auskommen, beruflich eine tolle Perspektive und auch sonst sieht die Zukunft gut aus. Nur so ganz glücklich bin ich eben nicht. Und so langsam werde ich das Gefühl eben nicht los: Man sollte aber glücklich sein.
Es ist egal, wie viel man lacht. Egal, wie viel Freude man an einzelnen Situationen hat. Und es ist egal, wie viele Freunde man hat, die für einen da sind und die nichts – ich betone das – nichts falsch machen. Es ist egal, wie groß der Rückhalt der Familie ist und wie wenig man eigentlich doch alleine ist, wenn man eben merkt: Irgendetwas stimmt nicht. Irgendetwas ist nicht so, wie es sein sollte. Wie es sein könnte. Ich bin nicht glücklich. Ich weiß nicht, was mir dazu fehlt. Aber ich bin sicher, es gibt irgendwo da draußen den oder die Menschen, die es mir zeigen können – ob sie selber das wissen, oder nicht. Seid einfach füreinander da!
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